2020
Ottomar
Anschütz vor 130, 125 und 120 Jahren
Vor 130 Jahren
Im Mai 1890
wurden Ottomars Serienbilder und Darstellungen in der Wiener Zeitung „Die
Photographie“ als „Lebende Photographien“ bezeichnet. Eine Bezeichnung,
die in den ersten Zeiten des Kinematographen ein viel gebrauchtes Schlagwort
war, also bis etwa 1910.
Ab 16.Mai 1890
wurde die erste Kamera mit Schlitzverschluss (Patent Anschütz) gebaut,
das Urmodell der ersten
Pressekamera der Welt war geboren.
Ottomar verfügte nicht über
Fabrikationseinrichtungen und legte deshalb die Herstellung und den Weltweiten
Vertrieb in die Hände der Firma C.P.Goerz in Berlin. Am 16.Mai 1890 begann die
Produktion der ersten Goerz-Anschütz-Kamera mit Schlitzverschluss vor der
Platte. Goerz wurde 1886 gegründet und hatte 1890 gerade mal 25 Arbeiter. Das
sollte sich aber schnell ändern, 1895 war die Anzahl der Arbeiter auf 200
gestiegen und 1911 zum 25. Jubiläum der Firma waren es 2500.
Da das wichtigste Teil der
Kamera, der Schlitz, öfters Anlass zu Störungen gab bemühte sich Ottomar den
Verschluss zu verbessern und zuverlässiger zu machen. Diese Verbesserung
wurde am 16. Feb.1890 mit der Nr. 53164 patentiert.
Vor 125 Jahren
Am 6.Nov.1894 erhielt
Ottomar Anschütz das Patent für seinen Projektionsapparat für
stroboskopische bewegte Bilder. Am 6.Nov.1894 zeigte er erstmalig „Lebende
Photographien“ (Kino) öffentlich auf einer 6x8m großen Leinwand im Hörsaal des
Postfuhramtes in der Artilleriestr. zu Berlin. Über die Wintermonate wurde der
Projektionsapparat überarbeitet und Verbessert.
Am 22. Februar 1895
war es dann soweit, das Kino war geboren.
Der überholte
Projektionsapparat begann ab 22. Februar im 300 Personen fassenden Sitzungssaal
des alten Berliner Reichstagsgebäudes in der Leipziger Str. 4 seinen endgültigen
Erfolg zu feiern. Es stand nunmehr ein Reichhaltiges Programm zur Verfügung. Bei
diesen fortlaufenden öffentlichen Vorführungen standen nun ca. 40 Bildreihen zur
Verfügung, wie z.B. zwei Zimmerleute frühstückend, Skatspieler, Rauchende
Jungen, Einseifen eines Barbiers. Ottomar war also noch mehr in die
Unterhaltungsbranche eingestiegen, wie man an den Titeln erkennen konnte. Es
handelte sich um sorgfältig inszenierte Darbietungen, bei denen Schauspieler
oder zumindest Darsteller, in Kulissen gestellt und instruiert wurden, lustig zu
wirken oder einen dramatischen Eindruck zu machen.
Ottomar ging mit seinen
Serien viel weiter als seine Zeitgenossen, in dem er die Chronophotographie von
den analytischen wissenschaftlichen Zielen wegführte, hin zu Reproduktion der
Bewegung als reiner vergnüglicher Unterhaltung. Er entfaltete hiermit eine der
heutigen Kinematographie entsprechende Tätigkeit.
Die Photographische
Rundschau schreib 1895: Unter den von Anschütz vorgeführten Reihenaufnahmen
ist das Einseifen beim Barbier von geradezu überwältigender Komik, ein Herr
sitzt zurückgelehnt auf dem Stuhle, vor ihm steht der mit Seife und Pinsel
bewaffnete Barbier und waltet seines Amtes. Seitwärts zieht der Gehilfe das
Messer auf dem Streichriemen ab. Das langsame Hin- und Herfahren des Messers auf
dem Riemen, die Körperbewegung des einseifenden Barbiers und das Fingerspiel des
Eingeseiften sind von unübertrefflicher Naturtreue.
Dies war nur möglich, weil
die ganze Handlung und jede Bewegung aller Personen vorher in allen Einzelheiten
geplant war und jeder genaue Anweisungen bekommen hatte. Heute würde man von
einem Drehbuch und von einer strengen Regie sprechen. Ottomar Anschütz war
hiermit unbewusst zum ersten Drehbuch-Autor und Regisseur geworden.
Daraus ergibt sich die
nachstehende Folgerung:
Definiert man
Kinematographie als
-
als Lebende
Photographie
-
Projektion von
beweglichen Bildern
-
auch lebensgroßen
Bildern
-
mittels
photographisch erzeugter Bewegungsbilder
-
mit inszenierten
Szenen
-
mit Regie für die
Darsteller
-
auf 6x8 Meter
großer Leinwand für 300 Personen gleichzeitig
-
im verdunkelten
Raum
-
mit wechselndem
Programm
-
gegen
Eintrittsgeld
-
um das Publikum zu
unterhalten,
dann war es Ottomar
Anschütz, der das Kino erfunden hat, nicht den perforierten Film, das
waren Andere.
Die Eintrittspreise betrugen
damals 1,- bis 1,50 Mark. Da alleine 1895 im März 5400 Mark eingenommen wurden,
müssen dies also im März etwa 4000 Kinobesucher gewesen sein.
Der Filmtechnikhistoriker F.
Paul Liesegang schrieb 1940: So war es also Ottomar Anschütz, der als Erster
durch Verbindung von photographischer Aufnahme und Wiedergabe, das wirkliche
lebende Lichtbild schuf.
Vor 120 Jahren
Königliche Preußische
Staatsmedaille in Gold.
In Anerkennung seiner großen Verdienste wurde sie persönlich vom Kaiser Wilhelm II auf der Hochkönigsburg verliehen.
Urenkel